Nutzen Arbeitnehmer und Unternehmen die niedrigen Opportunitätskosten in der Rezession für Investitionen in die Weiterbildung, um für den Aufschwung zusätzliche Kompetenzen zu entwickeln? Um das zu beantworten haben wir anhand der Daten des European Labour Force Survey im Zeitraum 2005-2018 den Zusammenhang zwischen Weiterbildung und Wirtschaftszyklus in der EU-27 untersucht. Dabei definieren wir „Berufliche Bildung“ als informelles Lernen und „Weiterbildung“ als übergeordneten Begriff, der sowohl informelles als auch formales Lernen umfasst.
Unsere Analyse zeigt, dass sich der Wirtschaftszyklus nicht auf die Weiterbildung auswirkt, die berufliche Bildung dagegen leicht antizyklisch ist. Dabei stellt der Beschäftigungsstatus einen wichtigen Faktor dar: bei Beschäftigten ist Weiterbildung zyklusunabhängig, berufliche Bildung jedoch antizyklisch. Unseren Schätzungen zufolge erhöht eine Senkung des BIP um 1 Prozent die Teilnahme von Beschäftigten an der beruflichen Bildung um 0,95 Prozent. Bei Arbeitssuchenden gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen beruflicher Bildung bzw. Weiterbildung und Wirtschaftszyklus, d. h. beide gehen in der Rezession zurück. Unseren Ergebnissen zufolge mindert ein Rückgang des BIP um 1 Prozent bei Arbeitssuchenden die auf berufliche Bildung verwendete Stunden um 1,47 Prozent. Die antizyklische berufliche Bildung der Beschäftigten bestätigt die These, dass sich Unternehmen in der Rezession neu organisieren. Das Wirtschaftszyklus und berufliche Bildung bzw. Weiterbildung bei Arbeitssuchenden parallel verlaufen, deutet darauf hin, dass Geldmangel in der Rezession Investitionen in neue Kompetenzen erschwert.